Leben mit Spiel
Vor ein paar Wochen stand ein großes Paket vor meiner Tür. Darauf waren Bilder von Eichhörnchen und ich dachte zuerst: meine Familie erlaubt sich einen Spaß und schickt mir eine Eichhörnchenfalle. Denn ich hatte ihnen von meinem kleinen Schreck erzählt, als ich eines Morgens von einem Eichhörnchen in meinem Zimmer aufgewacht bin.
Stattdessen war es diese besondere Holzkiste, die mein Bruder mir gebaut hat. Eine Maßanfertigung- jetzt steht sie neben meinem gelben Sessel und ist der perfekte Ort für alle meine Bibeln, Stifte und sonstigen Hefte. Ich liebe sie, weil ich damit gleichzeitig ein bisschen chaotisch und doch ordentlich sein kann. Ich hab das Gefühl sie gibt meinem Leben ein bisschen Spiel, weil sie perfekt zu meinem Charakter passt. Sie macht es mir leicht- nur mit einem Griff komme ich an die Sachen und das Aufräumen kostet keine Mühe.
In den letzten Wochen hatte ich mir oft gewünscht, dass mein Glaube auch so eine Leichtigkeit hat. Ich war mal wieder in dieser Phase gelandet, in der ich viel mit meinen eigenen Sorgen und Gedanken beschäftigt war und mich im Kreis und um mich selbst drehte, anstatt Gott in meinem Leben durchbrechen zu lassen. Ich hatte nur wenig Lust in der Bibel zu lesen oder zu beten- ich wollte mich nicht mit Gott beschäftigen, weil ich mich im Kern nicht mit mir beschäftigen wollte. Es war einfacher sich abzulenken, auch wenn ich oft unzufrieden war und zeitweise seine Nähe und seine guten Worte in meinem Alltag vermisst habe.
Eines Morgens las ich in der Offenbarung (3,15-16):
Ich weiß, wie du lebst und was du tust; ich weiß, dass du weder kalt noch warm bist. Wenn du doch das eine oder das andere wärst! Aber weil du weder warm noch kalt bist, sondern lauwarm, werde ich dich aus meinem Mund ausspucken.
Diese Verse sprachen mich persönlich an und ich hab mich bei dem Gedanken erwischt:
„Lauwarm ist doch auch nicht ganz schlecht, ist doch besser als wenn ich gar nicht glaube! Ich zweifle die Realität Gottes doch gar nicht an, er hat einfach gerade nicht die höchste Priorität. Es ist doch auch ein sehr hoher Anspruch von Gott, dass ich ihn immer mit ganzer Hingabe lieben soll. Wie soll ich das überhaupt schaffen?“
Gleichzeitig war ich auch von Gottes Sehnsucht berührt, er will nicht nur ein bisschen von mir, er will das ganze Herz, den ganzen Verstand, alles was ich geben kann. Und wenn ich ehrlich bin: kostet mich meine Gleichgültigkeit nicht viel mehr? Ich gebe vielleicht nicht viel, aber ich bekomme auch nicht viel, bleibe leer zurück.
Es erinnerte mich an das Leben ohne Geruchssinn. Während meiner Corona-Erkrankung hatte ich nur noch meinem Geschmacksinn- ich schmeckte, ob Dinge süß, sauer, salzig waren, aber alle anderen Nuancen waren verschwunden. Ich hatte mir das perfekte Essen überlegt: Gurkensalat! Salziger Feta, saure Joghurtsauce, Gurken schmecken eh nach nichts. Es war ganz okay, aber trotzdem enttäuschend. Wirkliche Freude am Gurkensalat macht die feine Dillnote. Ohne Geruchssinn wird mir Essen gleichgültig, so wie mir mein lauwarmer Glaube die Sehnsucht nach mehr vermiest.
Ich komme an den Punkt zurück, dass ich denke:
Es ist gut, wenn mein Glaubensleben Formen hat- wie eine gute Holzkiste- die die Begegnung mit Jesus unterstützen und meine Leidenschaft und Hingabe wachhalten. Und damit meine ich z.B. Disziplinen wie Gebet und Bibel lesen oder Rituale, die mich wirklich erfrischen, wie von Zeit zu Zeit ein ganzer Tag mit Gott. Menschen, die mich in ihrer Art zu glauben inspirieren oder mit denen es mir leicht fällt über meine Zweifel zu reden. Es ist gut, wenn diese Formen ein bisschen Spiel haben, dass sie mir die Freiheit geben Gott zu begegnen, auch wenn sich mein Leben gerade nicht so anfühlt, wie es sollte.
Und es ist gut, dass Gott es mir nicht zusätzlich schwer machen will.
Dass er sagt:
So mache ich es mit allen, die ich liebe: Ich decke auf, was bei ihnen verkehrt ist, und weise sie zurecht. Darum mach Schluss mit deiner Gleichgültigkeit und kehre um! Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir. (Offb. 3, 19-20)
Dass er mich an Dinge erinnert, die mir fehlen.
Dass er seine Tür nicht zumacht, auch wenn ich lange nicht Zuhause war.
Dass er vor meiner Tür wartet mit all dem Guten, das er für mich hat.
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