Fallobst

Wir saßen zum Picknick auf der Wiese und er schnitt seinen roten Apfel in viele Stücke. Er bot sie uns an, wie zuvor auch Wurst, Käse und das Brot, das leider aufgrund der agressiven Brotschneidemaschine bei Rewe etwas zerfetzt aussah. "Gerne", erwiderte seine Nebensitzerin und biß genußvoll in den Apfel. "Der Apfel ist mir gestern runtergefallen", erzählte er im Plauterton, so als wäre es der Anfang einer weiteren großen Geschichte. Wir konnten uns nicht mehr halten vor Lachen. Er verstand gar nicht, was daran witzig war und erklärte, dass sie von der verschont gebliebenen Apfelseite bekommen hatte und er sowieso alle Druckstellen wegschneiden würde und das ja trotzdem noch ein guter Apfel von Rewe wäre. Ich versuchte deutlich zu machen, das ich nicht an der Qualität seines Apfels zweifele, sondern mich nur seine ungewöhlich ehrliche Marketing-Strategie zu Freudentränen und Lachkrampf gebracht hatte. Vielleicht auch eine erbliche Vorbelastung: wie oft hatten wir uns in meiner Familie schon über Tendenzen gewisser Personen amüsiert Lebensmittel mit Makeln besonders anzupreisen ("schmeckt arg gut" war in meiner Kindheit das Synonym für "eher mit Vorsicht zu genießen"). Die Picknickgemeinschaft einigte sich darauf, das sich jeder Frutarier über dieses Fallobst gefreut hätte.

Heute ist Christi Himmelfahrt. Wir erinnern uns daran, wie Jesus die Erde und seine Jünger verlässt und zum Vater zurückkehrt. Wie haben sie sich wohl begrüßt? Vielleicht: "Du bist mein geliebter Sohn, an Dir habe ich Wohlgefallen. Du bist perfekt. Ich liebe alles, was du tust.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Mein Radio sagt: heute ist Vatertag. Wie einfach etwas umzubenennen, wenn man den Sinn nicht versteht. Was hat Jesus wohl erwidert? Vielleicht: Danke ABBA, es ist das Beste wieder ganz bei dir zu sein. Ich habe einen Korb Fallobst mitgebracht. Es ist nicht perfekt. Es hat Macken und Dellen, manches ist unreif, teilweise ist der Wurm drin, der Geschmack könnte besser sein. Aber ich habe es mit deinen Augen angeschaut und wusste sofort, dass du es liebst.

Es ist Teil der großen Geschichte, dass wir gefallen sind, keine noch so gute Marketing-Strategie könnte das vertuschen. Aber das ist nicht das Ende. Also warum nicht ehrlich damit umgehen und im gleichen Satz sagen können: trotzdem sind wir die geliebten Kinder des Vaters. Und das ist das, was zählt.

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